Warum es nicht wichtig ist, was ich erlebe

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Letztens saß ich gemütlich auf dem Sofa und schaute eine Serie. „White Collar“. Typisch amerikanisch. Einfach gestrickt, aber durchaus mit Unterhaltungswert. Und während ich meine Teetasse (es war abends, da trinke selbst ich inzwischen keinen Kaffee mehr) so in der Hand hielt und beobachtete wie die Hauptfigur ein Pokerspiel bestritt, spürte ich zunehmend eine gewisse Anspannung in mir aufsteigen. Gut, könnte man jetzt sagen, ein Kompliment für die Serienmacher, der gewünschte Effekt tritt ein! Und das ist auch definitiv richtig. Aber gleichzeitig wurde mir bei dem gut gelaunten Spiel von Matt Bomer etwas viel tieferliegendes klar.
Es gibt Menschen, für die so eine Partie Poker ein Highlight ist! Die sich freuen, wenn die Spannung, die ich nur beim Zuschauen gerade schon spürte, in ihnen aufsteigt! Natürlich war mir das auch schon vorher auf einer rein kognitiven Ebene klar. Ich kenne sogar jemanden, der mit Pokern sein Geld verdient, für den muss dieses Gefühl großartig sein, sonst würde er das wohl kaum tun. Aber ich habe noch nie darüber nachgedacht, dass es dabei gezielt um ein Gefühl geht. Um eben diesen Nervenkitzel, die Spannung, die ich wie eine Art Echo gerade selbst wahrnahm. Und ich muss ganz klar sagen: Ich bin da völlig anders. Ich hasse Spiele. Zumindest solche, in denen es darum geht, dass einer gewinnt und einer verliert. Ich hasse es auch ganz grundsätzlich, wenn ich mich mit jemandem in einer Konkurrenzsituation befinde. Wenn ich also diese Spannung in mir aufsteigen fühle, will ich mich nicht in das Kräftemessen stürzen, ich will nur noch diese Anspannung los werden.
Während ich also so da saß, mit meiner Teetasse unter der Decke und der Serienhandlung nur noch halbherzig folgte, sinnierte ich darüber nach, wie es sich anfühlen muss, diese Anspannung, die ich schon in diesem geringen Ausmaß als höchst unangenehm empfand, gut zu finden. Ja, sogar aktiv nach ihr zu suchen. Und in diesem Moment wurde mir die Bedeutung einer Aussage, der ich, seit ich mich vermehrt mit dem Thema Trauma und der Bewältigung von Krisen beschäftigt habe, immer wieder begegne.
Es ist nicht die Situation, die unsere Gefühle auslöst, sondern unsere Bewertung.
Zugegeben, hier ging es jetzt gerade nicht um etwas so gravierendes wie eine Traumatisierung, aber vielleicht war dieser Moment und meine Erkenntnis genau deswegen so einprägsam für mich: Es ist nicht die Konkurrenz, die mir so unangenehm ist. Es ist ein Glaubenssatz (bei meinem Glück wahrscheinlich sogar mehrere) über Konkurrenz und über Siege und Niederlagen, den ich mir trage.
Ich bin mir zwar noch nicht sicher, wie dieser Glaubenssatz, bzw. die Glaubenssätze (ja, ich bin mir fast sicher, dass es mehrere sind, die sich zusammegeschlossen haben, um mir die Freude an Spielen und Wettkämpfen vermiesen) genau heißen. Aber die Tatsache, dass es eben nicht die Situation an sich ist, sondern meine Einschätzung, meine unbewusste Bewertung, eröffnet mir plötzlich ganz neue Möglichkeiten die unangenehme Spannung zu betrachten, wenn ich sie das nächste Mal spüre. Und jetzt gerade bin ich ganz froh, dass ich noch einige Folgen von White Collar vor mir habe. Immerhin kann ich so den neuen Blickwinkel ganz gefahrlos auf dem Sofa und mit Tee (oder Kaffee, wobei ich nicht sicher bin, ob das Koffein hilfreich oder schädlich wäre) ausprobieren – und wenn es mir zuviel wird, habe ich in diesem Fall tatsächlich einen Knopf zum ausschalten. Und das ist ein Luxus, den ich viel zu selten genießen darf, wenn ich mich mit meinen weniger angenehmen Mustern beschäftige.
Herzlichst
Eure Steffi
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