Der Zauber eines ehrlichen Kompliments

Hand aufs Herz – wie oft sagst du deinen Mitmenschen was dir positiv an ihnen auffällt?
Und wie oft sagst du es aus tiefstem Herzen und ohne dadurch etwas erreichen zu wollen?
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass wir in unserer Gesellschaft dieses unglaubliche Potential, das in einem ehrlichen Kompliment steckt, so verschwenderisch verschenken.
Als ich das erste Mal die Macht eines ehrlichen Kompliments erlebt habe, war ich etwa 18 Jahre alt und beobachtete in der Reithalle eine der Reiterinnen an unserem Stall. Sie und ihr Pferd hatten keinen besonders guten Tag. Ihr Pferd lief sehr verspannt, schlug immer wieder unwillig mit dem Kopf und die Reiterin wirkte zunehmend ärgerlicher und verkrampfter. Ich muss gestehen, sie hatte mein volle Mitgefühl, denn ich kannte ähnliche Situationen nur zu gut. Man saß mitten auf dem Präsentierteller, wusste genau was schief lief, aber egal was man versuchte, es wurde eher schlimmer als besser. Was mich in diesen Momenten immer besonders unter Druck gesetzt hatte, waren die vermeintlichen Kommentare der Zuschauer, die ich vor meinem geistigen Ohr hörte und die sich gerne als Dauerschleife in meinem Kopf einbrannten. Und es waren keine besonders netten Kommentare, die ich da vermutete.
Und obwohl ich nicht genau weiß, ob sich in ihrem Kopf ebenfalls etwas derartiges abgespielt hat, hatte ich den starken Impuls ihr etwas zu sagen, was mir in dieser Situation wirklich gut gefiel und dass ich sah, dass sie es heute nicht leicht hatte. Ich bin also bei der nächstbesten Gelegenheit spontan zu ihr hingeritten und hab es ihr einfach gesagt. Und es war total spannend zu beobachten, was dann passierte. Sie begann zu lächeln und freute sich. Zugegeben, nach einem kurzen, leicht irritierten Moment, denn es war damals nicht gerade üblich, dass wir uns einfach so gegenseitig sagten, was wir bei den Anderen gut fanden. Aber nach einem einzigen, freundlichen Satz konnte ich beobachten, wie sie sich im Sattel aufrichtete und entspannte. Und ich konnte sehen, wie sich diese Entspannung auf das Pferd übertrug. Und im weiteren Verlauf wurden plötzlich all die kleinen Unstimmigkeiten, die sich vorher immer weiter hochgeschaukelt hatten, immer weniger.
Es war wirklich nur ein kleiner Satz, der den gesamten Verlauf des Ritts verändert hat. Und die Erinnerung daran verursacht mir bis heute eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, welche Wirkung ein paar ehrliche, nette Worte hatten.
Seitdem habe ich diesem positiven Impuls unzählige Male nachgegeben. Und die Ergebnisse waren immer wieder erstaunlich.
Vollkommen unnahbare, ja sogar vermeintlich arrogante Menschen, von denen ich immer gedacht hatte, sie würden mich nicht mögen oder auf mich herabschauen, entpuppten sich als unheimlich freundliche und herzliche Personen.
Und dieser Effekt blieb vor allem bei den vermeintlich arroganten und unfreundlichen Menschen konstant. Wo vorher oft kaum ein Gruß ausgetauscht wurde, gab es jetzt freundliche Hallos und Gespräche, wenn man sich begegnete. Selbst bei Menschen, die ich z. T. schon seit Jahren flüchtig kannte und mit denen ich in all der Zeit kaum mehr als 10 Worte gewechselt hatte.
Ich habe in all der Zeit noch kein einziges Mal eine negative Reaktion bekommen. Durchaus Irritation und Unsicherheit, manchmal auch ein unsicheres Zurückgeben von Komplimenten, aber nie eine ärgerliche oder abwehrende Reaktion.
Das Geheimnis ist allerdings, dass es etwas sein muss, dass ich wirklich ehrlich meine. Wenn ich einfach nur schmeicheln will, dann merkt mein Gegenüber das sofort. Was vermutlich daran liegt, dass wir eben diese unterschwellige Haltung vor dem Unterbewusstsein unseres Gegenübers nicht verbergen können. Mikroausdrücke und unbewusste Gesten verraten uns auf eine Ebene, die wir oft nicht mit Worten erfassen können und trotzdem ein intuitives Wissen um die Unehrlichkeit auslöst. Dasselbe scheint mir zu passieren, wenn diese Taktik gezielt und vor allem dafür benutzt wird, um den anderen zu manipulieren. Obwohl derartige Taktiken durchaus funktionieren können, wie unzählige Trainings für Verkäufer beweisen, zeigt sich doch immer wieder, dass auch diese Haltung unterschwellig wahrgenommen wird. Und es wird eben auch wahrgenommen, wenn etwas einfach ehrlich und von Herzen und ohne weitere Hintergedanken kommt.
Aber wie oft nutzen wir die Gelegenheit, jemandem etwas positives zu sagen? Wie oft bei den Menschen, die wir lieben? Wie oft bei guten Freunden oder Verwandten? Und wie oft bei flüchtigen Bekannten oder völlig Fremden?
Wie oft würden wir selbst uns wünschen, eine freundliche Rückmeldung oder ein Kompliment zu erhalten? Oder uns zumindest sicher sein zu können, was jemand anderes von uns hält?
Und wie oft nehmen wir selbst ein Kompliment einfach dankbar und mit Freude an?
Denn auch das ist etwas, dass ich inzwischen gelernt habe.
Ein echtes Kompliment wartet nicht auf eine hastig aus der Luft gegriffene Rückgabe
Natürlich schadet es nicht, demjenigen ebenfalls etwas positives zu sagen, aber am besten dann, wenn man ihm das aus ganzem Herzen einfach mitteilen möchte.
Es ist ja kein Geheimnis, dass ich gerne ein Lächeln in die Welt bringe. Sei es nun meine eigenes oder das eines anderen. Kleine Sätze mit einem Kompliment, einem Lob oder einfach einer herzlichen Mitteilung schaffen diese Aufgabe so spielend und mühelos, dass ich mir wirklich wünschen würde, wir würden noch viel häufiger bewusst auf das achten, was uns anderen gefällt. Und ich wünschte mir, wir würden es ihnen auch viel öfter sagen. Nicht weil wir etwas von ihnen wollen, sondern weil es einfach Freude bereitet, positives auszusprechen!
Wie sieht es aus? Magst du es probieren?
Einfach mal bewusst darauf achten, was du einem Menschen in deinem Umfeld positives sagen könntest? Und es dann vielleicht sogar auch laut auszusprechen?
Ich bin gespannt, welche Erfahrungen du mit dieser kleinen Geste machst! Und ich würde mich sehr freuen, davon in einem Kommentar zu lesen!
Herzlichst
Eure Steffi
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